Wolfgang Anzengruber

Ein Gespräch mit Verbund-CEO Wolfgang Anzengruber ist eine journalistische Freude. Weil der Mann etwas zu sagen hat, prag-matisch an Dinge herangeht und damit in vielerlei Hinsicht ein Vorbild in der Manager-Zunft ist. Und täglich lernt er Neues dazu.
© StefanJoham3

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Mann mit vielen Eigenschaften

Privat
Wolfgang Anzengruber, 1956 in Steyr geboren, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Lebt in Wien und Salzburg. Anzengruber ist sportlich aktiv, leidenschaftlicher Leser (aber keine Fachliteratur) und geht gerne ins Kaffeehaus.

Karriere
Studium Maschinenbau und Betriebswissenschaften an der TU Wien, ab 1993 Mitglied des Vorstands der ABB Energie AG, später Vorstand bei ABB Österreich, Salzburger Stadtwerke AG, Salzburg AG. Ab 2003 Vorstandsvorsitzen-der der Palfinger AG. Seit 2009 ist Anzengruber Vor-standschef der Verbund AG.

Verbund
1947 als Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG gegründet, ist Verbund Österreichs führendes Stromunternehmen und einer der größten europäischen Erzeuger von Strom aus Wasserkraft. 2018 lag der Umsatz bei rund 2,9 Milliarden Euro. An die 3.000 Mitarbeiter sind für den Energiekonzern tätig. Am 6. 12. 1988 wurde die da- malige Verbundgesellschaft teilprivatisiert: 49 Prozent des Grundkapitals wurden zum Handel an der Wiener Börse zugelassen, 51 Prozent befinden sich im Eigentum der Republik Österreich. In der „geheimnisvollen Werkstatt Got-tes“, wie Goethe ehrfürchtig die Historie nennt (nachzulesen in Stefan Zweigs Sternstunden der Menschheit), sind es oft kleine Ereignisse am Rande, Blitze des Genialen oder Momente des Neuen, die Veränderungen bewirken. Mögen die „Fischaufstiegshilfen“ vielleicht nur eine Randnotiz sein, so stehen sie doch als Pars pro Toto für die große Transformation der Energiewirtschaft. „Vor zehn Jahren wurden wir gezwungen, Fischauf-stiegshilfen zu errichten“, erinnert sich Verbund-CEO Wolfgang Anzengruber, „heute sind unsere Techniker stolz dar -auf. Wir wenden dafür in Summe über mehrere Jahre rund 280 Millionen Euro auf – weil es richtig, wichtig und gut ist.“ So können Fische und Kleinlebe-wesen nun ihre Wanderung entlang der Flüsse fortsetzen, während „nebenan“ Strom erzeugt wird. Kein epochales, aber doch sinnstiftendes Ergebnis der neuen Energiewelt, die schon vor 20 Jahren begann. „Wir hatten die Phase der Liberalisierung, das Ende der früheren Monopole und das Aufkommen von intensivem Wettbewerb. Auch die Wirtschaftskrisen sind nicht spurlos an uns vorübergegangen. Nun stehen Klimawandel, aber auch ganz neue Erzeugerstrukturen im Mittelpunkt: Jeder, der eine PV-Anlage auf seinem Dach hat, produziert Strom“, fasst Anzengruber stakkatoartig zusammen. Die Klimadebatte ist in der Gesellschaft angekommen. Der Chef eines Energieversorgungsunternehmens muss da mit ruhiger, aber bestimmter Hand steuern. „Die Probleme sind zu lösen, weil es Fakt ist, dass sich das Klima ver – ändert. Wir haben das Wissen, die Man -power, die Technologien also sollten wir es jetzt rasch umsetzen.“ Erneuer-bare Energien, Digitalisierung, Energieeffizienz, aber auch Verhaltensänderung werden da entscheidende Faktoren sein, fordert Anzengruber einen breiten Konsens ein.

Entscheidungen für Generationen

Ein Manager, der seine Karriere in der Industrie begann, befindet sich seit
2009, als er Verbund-Chef wurde, in einer ungleich exponierteren Position als in seinen jungen Management-Jahren. Wie fällt der Vergleich Industrie vs. Energiewirtschaft aus? „Die Industrie ist geprägt von Wettbewerbssituationen und Betriebswirtschaft, von Kennzahlen, oft von Branchenspezifika.“ Ein Unternehmen wie Verbund hat über diese Aspekte hinaus auch eine Funktion als größere Schnittstelle zu volkswirtschaftlichen Aspekten inne. „Kursrichtungen in der Energiewirtschaft sind schwieriger, weil wir zeitlich gesehen nachhaltigere Zyklen haben. Eine richtige Entscheidung in einem Industrieunternehmen ist oft recht rasch zu erkennen – ob eine Entscheidung in einem EVU richtig war, erkennt man erst nach Generationen“, sagt Anzengruber. Nicht zuletzt erfordert seine Aufgabe die Kunst des Vermittelns. Immerhin ist Verbund ein hochpolitisches Unternehmen – es berührt alle Bereiche der gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen, wirtschaftspolitischen, umweltpolitischen und natürlich auch energiepolitischen Sphäre. „Die Einbindung unterschiedlicher Stakeholder entscheidet darüber, ob man die richtigen oder falschen Ansätze wählt“, weiß Anzengruber.

„WER SCHNELLER AM MARKT AGIEREN WILL, MUSS DIE LEINE LOCKER LASSEN KÖNNEN. SONST DROHT STILLSTAND.“

Dipl.-Ing. Wolfgang Anzengruber

Empathie und Entscheidungen

Der Blick von Wolfgang Anzengru-bers Büro ist an diesem Tag uninspirie-rend, es regnet, die Wiener City schaut trostlos drein. Umso besser, dass der Job täglich Neues mit sich bringt, selbst für einen „alten Hasen“ wie Wolfgang Anzengruber. Wie beschreibt er seinen Führungsstil? „Ich bin davon überzeugt, dass Führung von Empathie geprägt sein muss. Wir arbeiten mit und für Menschen. Gleichzeitig muss klar sein, dass endlos geführte demokratische Prozesse einem Unternehmen nicht guttun. Am Ende des Tages muss eine Linie vorgegeben werden.“ Anzengruber sieht es als seine Auf-gabe, die Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter auf diesem Weg mitzunehmen: „Identifikation mit dem Unternehmen und den Herausforderungen, die man täglich erfüllt, ist sehr wichtig. Da kommt uns zugute, dass wir bei Verbund per se mit einem modernen und wichtigen Thema arbeiten, einer nachhaltigen Energieproduktion. Wir sind en vogue.“
Spannend ist auch die Entwicklung des Unternehmens selbst: Früher galt Verbund als hohes Amt der Energiewirtschaft. Die Chefs hielten Audienzen, die Mitarbeiter blieben von den ersten Berufs-tagen bis zur Pension. Heute vereint Verbund in sich mehrere Unternehmenstypologien. „Wir sind in manchen Bereichen so rasch unterwegs wie ein Start-up, ich denke da an die E-Mobilität. Und dann sind wir auch aus voller Überzeugung ein Unternehmen mit langfristigen Assets, mit Sicherheit und Verlässlichkeit. Man erwartet, dass der Strom aus der Steck-dose kommt. Dazu muss er sicher produziert und transportiert werden“, lächelt Anzengruber. Der im Übrigen auch mit Fehlern im Team so pragmatisch umgeht wie mit der Energiewende an sich. „Die Suche nach dem Schuldigen bringt nichts. Fehler passieren jedem Menschen. Ich gehe davon aus, dass niemand absichtlich einen Fehler begeht. Manchmal helfen uns Fehler auch, weiterzukommen – wer schneller am Markt agieren will, muss die Leine locker lassen können. Sonst droht Stillstand.“ Seit 2018 sitzt der Energiemanager im Uni-Rat der Universität Salzburg. Eine Herzens-angelegenheit? „Ich bin der siebente Zwerg von links. Ich wurde, nachdem jeweils drei Räte von der Universität Salzburg und drei Räte von der Politik bestellt wurden, gefragt, ob ich den letzten Rats-Posten übernehmen würde. Und ich habe das sehr gerne gemacht. Auch, weil ich von allen gewollt wurde und niemandem etwas schuldig bin. Ich kann offen und neugierig an die Themen der Universität herangehen, das macht auch großen Spaß. Universitäten sind oft sehr große Unternehmen, die einen klaren Bildungs- und Forschungsauftrag haben. Sie stellen die Lehre zu Recht über alles. Hier kann ich in den richtigen Situationen mein Wirtschaftswissen einbringen“, erzählt Anzengruber, dem der akademische Nach-wuchs ein Anliegen ist. Auch, weil er in gewisser Weise selbst an der Uni „sozialisiert“ wurde: Anzengruber ist überzeugtes Mitglied im Mittelschüler-Kartellverband. „Das Spannende dort war für mich, als junger Mensch früh Leistung einbringen zu können und Verantwortung zu über-nehmen und gleichzeitig Überzeugungsarbeit für die eigenen Ideen und An-sichten zu leisten. Ich möchte das nicht missen und habe daraus viel für meine spätere Karriere gewonnen“, blickt der Manager zurück.

Bloß keine Managementbücher

Vielleicht könnte dies auch dazu beitragen, in der zweiten Karriere, für die noch viel Zeit bleibt, Wissen und Erfahrung weiterzugeben, beispielsweise als Mentor. „Geranienzüchter werde ich sicher nicht“, meint Anzengruber lächelnd. Bis das Leben nach der Top-Karriere beginnt, wird Wolfgang Anzengruber der Energiewirtschaft noch einige Zeit treu bleiben. Und weiterhin täglich neue Erfahrungen machen. Learning by Doing ist für ihn immer noch „die beste Managementschule“. Deshalb liest Anzengruber – wiewohl leidenschaftlicher Konsument zeitgeschichtlicher Literatur auch keine Managementbücher. Bleibt die Frage, ob er selbst einmal eines schreiben möchte? Zu berichten gäbe es zweifellos genug. Wolfgang Anzengruber lächelt: „Ich halte es da mit Walter Fremuth, einem meiner Vorgänger als Verbund-CEO. Er meinte einmal: Lieber ein gutes Buch lesen, als ein schlechtes schreiben.“

LEARNING BY DOING IST FÜR IHN IMMER NOCH „DIE BESTE MANAGEMENTSCHULE“.

Dipl.-Ing. Wolfgang Anzengruber

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